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Charme, Chili und Cleverness - 40 Jahre Volkswagen Polo II (Typ 86C)
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Kein Kleinwagen traf das Lebensgefühl der verrückten 1980er besser als die zweite Generation des Volkswagen Polo. In einer Dekade, die zwischen Zukunftsangst und „Ich will Spaß“ pendelte, bediente der Wolfsburger Cityflitzer alle Wünsche: In kultiger Kombiform à la Renault 4, als CO2-Knauserer oder mit frech-furioser G40-Aufladung

SP-X/Köln. Dieser kleine Volkswagen war genau das richtige Auto für eine Zeit, in der atomare Aufrüstung und Umweltzerstörung Zukunftsangst erzeugten, andererseits neue TV-Blogbuster wie „Traumschiff“ und „Dallas“ den Spaß an Luxus und Lifestyle spiegelten. Mit der zweiten Generation des Polo (Typ „86C“) präsentierte VW im Spätsommer 1981 einen Cityflitzer, der durch einen raffinierten Mix aus Vertrautem und Neuem mit rund 2,7 Millionen verkauften Exemplaren zeitweise das erfolgreichste Fahrzeug seiner Klasse war. Alternative Avantgarde verkörperte das kombiähnliche Karosseriekonzept des kleinsten Wolfsburgers, der damit für ähnlich viel Diskussionsstoff sorgte, wie 20 Jahre zuvor die kastigen Formen des legendären Renault 4. Wer es konservativer bevorzugte, wurde von VW ebenfalls versorgt: Zum einen gab es ein Polo „Coupé“ in der Tradition konventioneller Fastbacks, und auch der Derby, das Stufenheck-Pendant zum Polo, erfuhr eine Neuauflage. Mit wuchtigen Proportionen sollte er die frische japanische Kleinwagen-Konkurrenz kontern, wie das VW-Management der Fachpresse erklärte. Tatsächlich tummelten sich Anfang der 1980er rund 50 City-Flitzer auf dem deutschen Markt von Austin Metro bis Vauxhall Chevette, darunter fast 20-Nippon-Modelle. Allerdings waren es Sparfüchse wie der Polo Fox oder Popstars in der Art des Polo Genesis, Sportler á la Polo G40 sowie Öko-Polo mit 2,0-Liter-Verbrauch, die den Benjamin im VW-Programm groß machten und allen „No-Future“-Parolen der Punks eine Absage erteilten: 13 Jahre Bauzeit bewiesen die zukunftsweisende Nachhaltigkeit des Polo II.

Heute muss die Oldtimer-Liebe zum inzwischen 40-jährigen Polo II erst noch erblühen, wie die niedrigen Notierungen für überwiegend verbrauchte Autos auf den einschlägigen Marktplätzen zeigen. Als Neuwagen aber hat der Polo einst große Emotionen entfacht, sofern den Broschüren Glauben geschenkt wird, die VW an seine Kunden verteilte: „Sie werden ihn bewundert umrunden… und vielleicht werden Sie sanft mit den Fingerspitzen über die perfekte Lackierung streichen. Und tief in Ihrem Innern wird eine leise Stimme sagen: Gut gewählt. Den und keinen anderen.“ Ein bescheidenes kleines Auto mit 29 kW/40 PS bis zuerst maximal 44 kW/60 PS, das großen Besitzerstolz garantierte, so etwas gab es damals tatsächlich. Immerhin kostete der Polo mit Preisen ab 11.185 Mark deutlich mehr als sämtliche Konkurrenten, dafür blieb der VW bis ins hohe Alter fast unschlagbarer Sieger in Vergleichstests der Fachpresse. Für Furore sorgte der VW zudem als maßgeschneidertes Sondermodell für die Modemeilen der Metropolen. Gleich ob als Edition „Boulevard“, „Betty Barclay“, „Shopping“, „Laura Ashley“ oder „Peppermint“, mit dem Polo waren die Damen ebenso gut angezogen wie mit den neuesten Kreationen aus Paris von Peugeot, Renault oder Citroen, wie ein Blick in die Zulassungsrankings zeigte. Sogar der freche Preisbrecher Polo Fox lockte ab 1984 mit den frischen poppigen Farben Türkisblau und Saimagrün. Dazu gab es 34 kW/45 PS und fertig war ein automobiler Liebling für Fahranfänger, der sich damals besser verkaufte als die Kult-Oldies Mini, R4 und 2 CV sowie japanische Bonsai-Gewächse von Daihatsu Charade über Nissan Micra bis zu Toyota Starlet.

Mit einem Ladevolumen von bis zu 1.000 Litern (zum Vergleich: Der Ford Fiesta bot maximal 625 Liter) füllte der originelle Steilheck-Polo zudem die Rolle eines multifunktionalen Mini-Kombis aus. Noch sensationeller lasen sich die Transportkapazitäten des Polos mit Rucksack (bis 1985 Derby genannt), die VW zunächst mit 540 Litern bezifferte, womit die 3,98 Meter kurze Limousine sogar mehr Platz im Kofferraum lieferte als der 5,14 Meter lange Luxusliner Mercedes 500 SEL. Dennoch diskutierten die Deutschen lieber das kontroverse Design des Derby als diesen geräumigen Kofferträger zu kaufen. Weshalb diese Polo-Karosserie 1990 still und leise vom Heimatmarkt verschwand und anderen Märkten vorbehalten blieb.

Die drei magischen Buchstaben GTI durfte erst der dritte Polo tragen, aber als Coupé GT zeigte schon der Polo II, wieviel Adrenalin die Wolfsburger Basis-Baureihe freisetzen konnte. Im Markenpokal Volkswagen Polo Cup trainierten Nachwuchs-Rennfahrer mit 65 kW/88 PS starken Coupés ihr Talent, dagegen mussten dem Fastback auf der Straße 55 kW/75 PS und feine Akzente wie Doppelscheinwerfer plus roter Rahmen für den Kühlergrill genügen, um Fiat 127 Sport oder Ford Fiesta XR2 zu jagen. 1987 jedoch verwandelte sich der Polo zu einem legendären Wolf im Schafspelz mit G40-Typenschild. Das neue Zauberwort für viel Leistung in dem 800-Kilogramm-Leichtgewicht lautete damals nicht Turbo wie bei der Konkurrenz, sondern G-Lader. Dahinter verbarg sich ein spiralförmiger Scrollverdichter, der zwar den Ruf hatte, nicht ganz unkapriziös zu sein, aber dem 1,3-Liter-Vierzylinder bis zu 95 kW/129 PS entlockte. Dies zuerst in einem Weltrekordfahrzeug, das 1985 einen Durchschnitt von 208 km/h über die Distanz von 5.000 Kilometern erzielte. Im serienmäßigen Polo G40 waren es zwei Jahre danach immer noch 85 kW/115 PS, mit denen der geladene Giftzwerg manchen BMW 3er von der Überholspur verscheuchte. Vorausgesetzt die Sportfans waren schnell genug, denn den G40 gab es nur 1.500 Mal. Drifts, Dreher und Donuts wie mit einem Formel-1-Boliden: Auch das konnte der Polo II, zumindest die Studie Sprint, die dank 116 kW/158 PS freisetzendem 1,9-Liter-Wasserboxer aus dem Bulli T3 ein Showprogramm bei der Jahrespressekonferenz 1984 ablieferte.

Ganz im Gegensatz zum zivilen Zweizylinder-Diesel im Öko-Polo, der mit G-Lader 29 kW/40 PS leistete, aber durch seinen Verbrauch von 2,0 Litern beeindruckte. Allerdings war die Zeit noch nicht reif für solche Extremsparer, weshalb VW am Ende doch auf den Großserienbau des Knauser-Polos verzichtete. Stattdessen musste es ein Vierzylinder-Selbstzünder mit 33 kW/45 PS und einem Normverbrauch von 4,4 Liter/100 Kilometer (bei 90 km/h) richten, vor allem aber die berühmt-berüchtigte „Formel E“. Dahinter verbarg sich ein Effizienzprogramm mit höher verdichtetem 1,1-Liter-Benziner bei unverändert 37 kW/50 PS Leistung, dafür mit 3+E-Getriebe, bei dem der vierte Gang extrem lang übersetzt war. Das Ergebnis: Statt 6,1 Liter bei 90 km/h begnügte sich der Formel-E-Polo mit 4,9 Litern, damals rekordverdächtig wenig für einen Benziner.

Volkswagen-Designer Marco Pavone, mitverantwortlich für die heute aktuelle Polo-Generation erläuterte unlängst, dass gutes Design wie ein cooler Anzug sei, in dem man sich auch Jahre später gut angezogen fühlt. Genau dies ist VW-Styling-Chef Herbert Schäfer mit dem Polo II gelungen. Die Lust an der anfangs gewagten Kombikarosserie und dem gefälligen Coupé blieb ungebrochen und so wurde dieses Doppel bis 1994 angeboten. Immerhin sind die späten Jahrgänge an der Modellpflege zu erkennen, die dem Bestseller 1990 Rechteckscheinwerfer und aerodynamischere Stoßfänger spendierte. Ein Geschenk für die Sportsfreunde gab es auch noch: der G40 kam nun ohne limitierte Stückzahl.

Wolfram Nickel/SP-X

 

Kurzcharakteristik

Chronik:
1974: Im September Vorstellung des Kleinwagens Audi 50, von dem der erste Volkswagen Polo abgeleitet wird. Der Serienanlauf des Audi 50 erfolgt im Wolfsburger VW-Werk. Tatsächlich werden noch in diesem Jahr die ersten Vorserienexemplare des VW Polo produziert
1975: Im März Serienstart für den minimalistisch ausgestatteten ersten Polo mit 29 kW/40 PS zu Preisen ab 7.500 Mark. Dennoch erzielt der Audi 50 mit über 84.000 Einheiten sein erfolgreichstes Jahr, während vom Polo 74.180 Einheiten verkauft werden
1976: Der Polo wird nun mit mehreren Motoren angeboten und die Jahresproduktion steigt auf 144.739 Einheiten
1977: Im Januar Serienanlauf für den Derby, der Stufenheckversion des Polo
1981: Im Sommer Produktionsende für die erste Generation von Polo und Derby nach insgesamt 1,1 Millionen Einheiten weltweit. Auf der Frankfurter IAA debütiert die zweite Generation des Polo, dies in komplett neu gestalteter Steilheck-Karosserie als Kombi-Kleinwagen (3,66 Meter Länge) und mit drei Motoren sowie einem Leistungsband von 40 bis 60 PS. Auch die Neuauflage der Polo-Stufenheckvariante Derby wird vorgestellt
1982: Im Februar wird der neue Derby im Handel eingeführt. Eine dritte Karosserievariante mit Schrägheck, das Polo Coupé, folgt im August. Das Polo Coupé gibt sich betont sportlich, erhält deshalb als Polo Coupé GT vorerst exklusiv einen neu entwickelten 1,3-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 55 kW/75 PS
1983: Volkswagen startet die Markenpokal-Motorsportserie Polo Cup. Ab August ersetzt ein neuer 1,3-Liter-Motor mit 54 PS die bisherigen Aggregate mit 50 und 60 PS.
1984: Seit genau zehn Jahren ist nun die Version Polo Fox das Einsteigermodell in frischen Farben und mit poppigen Ausstattungsdetails für junge Käufer. Ab 1986 auch als Coupé. Die Studie Polo Sprint erreicht 207 km/h mit 1,9-Liter-Motor aus dem VW T3 und durch G-Lader bewirkte 156 PS. Im März beginnt die Produktion des Polos im spanischen Seat-Werk Pamplona. Ab August ist das Polo Coupé auch mit dem 40-PS-Motor erhältlich. Im Prototyp Polo Sprint mit Steilheckkarosserie arbeitet dagegen ein aus dem T3 stammender 1,9-Liter-Wasserboxer, dessen Leistung dank G-Lader und Ladeluftkühler auf 158 PS klettert
1985: Der VW Derby wird im Januar umbenannt in Polo Stufenheck und erhält neue runde Hauptscheinwerfer. Weltrekord auf der Testrecke in Ehra-Lessien für einen Polo mit mechanisch aufgeladenem 1,3-Liter-Motor und 129 PS, der über eine Distanz von 5.000 Kilometern einen Durchschnitt von 208 km/h erzielte. Ab August steht der Polo Steilheck als Stadtlieferwagen mit Lkw-Zulassung im Angebot, dies ohne Rückbank und mit unverglasten hinteren Seitenwänden. Ebenfalls ab August wird der 40-PS-Motor durch ein 45-PS-Aggregat ersetzt. Erste Präsentation des Polo GT G40 mit Aufladung
1986: Neu für den Polo ist ab Juli ein 1,3-Liter-Diesel mit 45 PS
1987: Im Mai beginnt die Fertigung von 1.500 Einheiten des Polo GT G40 Coupé mit mechanischem Spirallader und dadurch 115 PS Leistung. Später wird der G40 regulär ins Polo-Programm aufgenommen. Im Markenpokal wird der G40 von 1986 bis 1989 eingesetzt. Der bislang dem Coupé vorbehaltene 75-PS-Vierzylinder ist ab August auch für den Polo Steilheck erhältlich
1988: Erste Polo-Versionen mit geregeltem Drei-Wege-Katalysator. Die Studie Öko-Polo mit Zweizylinder-Diesel und Direkteinspritzung sowie Start-Stopp-System begnügt sich mit 2,0 Liter Verbrauch pro 100 Kilometer
1990: Ab Mai wird der Polo auch in der DDR in Mosel montiert. Ab August steht ein neuer 1,4-Liter-Diesel mit 48 PS im Angebot. Im Oktober umfangreiche Modellpflege mit Rechteckscheinwerfern an der neu gestalteten Front, integrierte Stoßfänger vorn und hinten sowie massiver Seitenaufprallschutz in den Türen. Der Polo Stufenheck erhält ebenfalls das Facelift, wird allerdings nur noch in wenigen Ländern und nicht mehr in Deutschland angeboten  
1992: Mit dem Polo Coupé Genesis lanciert VW ein Sondermodell zur Europatournee des britischen Pop-Trios, dies in der Lackfarbe Violet Touch Perleffekt
1994: Nach 2,7 Millionen Einheiten läuft die Fertigung des zweiten Polo aus. Im September startet die Produktion der dritten Generation des Polo in drei- und fünftüriger Karosserie
2011: Die ersten Polo II avancieren zu Kandidaten für das amtliche H-Kennzeichen
2017: Im spanischen Pamplona läuft die Fertigung des sechsten Polo an, der im September auf der Frankfurter IAA sein Messedebüt erlebt. Insgesamt wurden bereits über 15 Millionen Polo ausgeliefert
2021: Die Clubszene feiert das Jubiläum 40 Jahre Volkswagen Polo II während die mittlerweile sechste Polo-Generation eine umfassende Überarbeitung erfährt

Motorisierungen Volkswagen Polo II/Derby II (1981-1994):
1981-1985 mit 1,05-Liter-Vierzylinder-Benziner (29 kW/40 PS)
1981-1983 mit 1,1-Liter-Vierzylinder-Benziner (37 kW/50 PS)
1981-1983 mit 1,3-Liter-Vierzylinder-Benziner (44 kW/60 PS)
1982-1994 mit 1,3-Liter-Vierzylinder-Benziner (55 kW/75 PS)
1983-1994 mit 1,3-Liter-Vierzylinder-Benziner (40 kW/55 PS)
1985-1994 mit 1,05-Liter-Vierzylinder-Benziner (33 kW/45 PS)
1987-1989 mit 1,3-Liter-Vierzylinder-Benziner als G40 (85 kW/115 PS)
1988-1990 mit 1,3-Liter-Vierzylinder-Diesel (33 kW/45 PS)
1990-1994 mit 1,3-Liter-Vierzylinder-Benziner als G40 (83 kW/113 PS)
1990-1994 mit 1,4-Liter-Vierzylinder-Diesel (35 kW/48 PS).

 

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