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Das dickste Kapitel der Erfolgsgeschichte - Mercedes SL
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Das dickste Kapitel der Erfolgsgeschichte - Mercedes SL

Die S-Klasse mag wichtiger sein für den Ruhm und natürlich für den Umsatz. Doch wenn es ein Auto gibt, das für den Mythos Mercedes steht, dann ist es der SL. Als Flügeltürer vor exakt 69 Jahren gestartet, hat er eine lange Erfolgsgeschichte geschrieben, und das nächste Kapitel ist schon in Arbeit. Grund genug also, für eine Ausfahrt zwischen Gestern und Morgen.

SP-X/Stuttgart. Er ist der vielleicht hellste Stern am Himmel über Stuttgart und ohne ihn ist der Mythos Mercedes kaum denkbar. Denn seit vor 69 Jahren zum ersten Mal ein SL zunächst über die Rennstrecke und dann auch auf der Straße gefahren ist, gilt er als der Inbegriff des luxuriösen Sportwagens und als dynamischer Gegenpol zum Glanz und zur Gloria etwa einer S-Klasse oder gar eines Maybach. Zwar hat der SL damit eine eindrucksvolle Erfolgsgeschichte geschrieben, die sich mittlerweile über acht Kapitel erstreckt. Doch aufgerieben zwischen dem AMG GT und dem S-Klasse Cabrio und den immer wieder hinausgezögerten Generationswechsel, ist sein Stern zuletzt steil gesunken und hat Staub angesetzt. Aber bald soll der SL auf die Sonnenseite des Lebens zurückkehren und wieder gleißend hell über seinem Segment strahlen. Denn in und um Stuttgart läuft sich der Nachfolger warm, der den Mythos mit neuem Leben füllen will.

Während zwischen dem Entwicklungszentren und Sindelfingen und dem Testgelände in Immendingen deshalb die Frequenz der Erlkönige zunimmt und die Ingenieure unter dem Code R232 die letzten Sätze am neuesten Kapitel der Erfolgsgeschichte schreiben, schlagen wir noch einmal das wahrscheinlich dickste Kapitel dieser Sternenstory auf und starten zu einer Ausfahrt im R129, der in doppelter Hinsicht ein Vorbild für das neue Modell ist - denn er war der letzte Roadster mit Stoffdach, zu dem auch die neue Generation zurückkehren wird. Und er war anders als seine Nachfolger ein - nun ja – 2+2-Sitzer, wie es auch der Neue sein will.

Nicht weniger als „die Faszination des Fahrens in nicht gekannten Dimensionen“ haben die Schwaben in der Pressemappe zur Premiere auf dem Genfer Salon 1989 versprochen und in jeder Hinsicht Wort gehalten. Denn die von Bruno Sacco gezeichnete Baureihe R129 sah nicht nur verboten gut aus und wurde deshalb schnell mit Designpreisen überhäuft. Sie wurde auch mit Innovationen wie dem Integral-Sitz, dem ersten elektrohydraulischen Verdeck und dem automatisch ausklappbaren Überrollbügel zum ersten Hightech-Modell unter den Open-Air-Fahrzeugen. Wo Cabrios und Roadster sonst aufgrund der kleinen Stückzahlen oft etwas stiefmütterlich mit neuen Technologien bedacht wurden, konnte es der SL so beinahe mit der S-Klasse aufnehmen.

Dafür haben sich die Schwaben aber auch reichlich Zeit gelassen: Über 18 Jahre lang musste der Vorgänger der Generation R107 laufen und war am Ende entsprechend ausgelutscht. Neue Normen und verschärfte Sicherheitsanforderungen hatten den Entwicklern große Kopfschmerzen bereitet und immer wieder zu einer Verschiebung geführt. Aber als sich die Ingenieure dann mal entschieden hatten, gab es keine Kompromisse mehr und es wurde in vielerlei Hinsicht Neuland betreten.

Verpackt wurde die Technik in ein Design, das zeitloser kaum sein konnte. Nicht umsonst wirkt der R129 bis heute nach: Während man sich am Nachfolger aus der Baureihe R230, dem ersten SL mit versenkbarem Hardtop und einer deutlich sportlicheren Ausrichtung, schon nach zwei Jahren sattgesehen hat, ist der R129 so schlicht und schnörkellos, dass seine Schönheit scheinbar ewig währt: Die mehr als 30 Jahre, die er mittlerweile auf dem Buckel hat, sieht man ihm jedenfalls nicht an.

Auch das macht den SL der Jahrtausendwende in vielerlei Hinsicht zur idealen PS-Pretiose an der Schwelle zum Oldtimer. Einerseits ein echter Klassiker, nachdem sich zumindest die Kenner schon so langsam umdrehen. Und andererseits noch so günstig zu haben, dass man dafür kein tiefes Loch in die Haushaltskasse reißen oder unterwegs eine alarmgesicherte Garage suchen muss. Denn jeder neue Mittelklasse-Kombi ist teurer als ein wirklich gut gepflegter 129er mit knapp sechsstelliger Laufleistung. Mit 20.000 Euro jedenfalls ist man bestens dabei.

Dabei katapultiert er einen weiter zurück in der Zeit, als man es sich vorstellen könnte. Denn er ist alt und damit analog genug, dass man sich am riesigen Lenkrad wieder wie ein Fahrer fühlt, der hier tatsächlich noch den Kurs bestimmt und nicht wie ein „User“, der sich von der Elektronik beim betreuten Fahren ans Ziel lotsen lässt. Aber gleichzeitig ist er so jung und rüstig, dass man sich bedenkenlos und ohne große Vorbereitung ans Steuer setzen und 2.000 Kilometer ab Stück abspulen kann. Ja, vielleicht noch schnell einen Ölwechsel, das Wischwasser auffüllen und den Reifendruck kontrollieren. Aber mehr muss wirklich nicht sein: Einsteigen, anlassen, losfahren – wer sonst immer nur nagelneue Autos fährt, wundert sich bisweilen, dass so etwas auch noch nach 20 Jahren funktioniert.

Außerdem ist er saumäßig bequem, hat noch immer mehr Luxus als mancher Neuwagen (schließlich hat der SL bei seiner Premiere 1989 mal über 100.000 Mark gekostet). Und vor allem ist er so sicher und wirkt so solide, dass man selbst nach bald 30 Jahren noch mit ruhigem Gewissen einsteigt. Und er ist variabler, als alle modernen Roadster. Nein, vielleicht nicht beim Dach, das weit entfernt ist vom Coupé-Komfort seiner Nachfolger, das irgendwann trübe Kunststoffscheiben bekommt, im Wind auch mal ein wenig flattert und einen dankbar sein lässt für das abnehmbare Hardtop, das Mercedes zum Schluss sogar kostenlos mitgeliefert hat. Aber zwei optionale Klappsessel im Fond machten den Luxusliner zumindest behelfsmäßig und kurzfristig zum vollwertigen Familienauto.

Zwar gab es den Roadster mit potenten Motoren mit bis zu 396 PS im feudalen und damals konkurrenzlosen V12-Modell SL 600 oder 525 PS im SL 73 beim Werkstuner AMG. Doch ein wirklich sportliches Auto war der Roadster damals nicht: Sportlich und leicht - von den Initialen der Baureihe und der Dynamik des legendären Flügeltürers, der die Modellfamilie 1952 begründet hat, ist beim R129 nicht mehr viel übrig. Denn die Sicherheit hat ihren Preis und schlägt sich mit einem Gewicht von schlimmstenfalls 2 Tonnen nicht zuletzt auf der Waage nieder. Und auch Innovationen wie das adaptive Fahrwerk sind eher für den Komfort gedacht als für kompromisslose Kurvenhatz.

Entsprechend verhalten fährt man den R129 auch heute: Gerne schnell aber selten mit Vollgas und in den Kurven immer schön gemütlich, gibt er den feudalen Cruiser für den entspannten Bummel auf der Sonnenseite des Lebens. Reisen, nicht rasen, heißt hier das Motto und das kann man bisweilen auch wörtlich nehmen. Denn wo aktuelle Roadster kaum mehr Platz bieten als für eine Handtasche und eine Kreditkarte, trägt der Kofferraum des SL seinen Namen noch zurecht und schluckt lässig das Gepäck für einen zweiwöchigen Sommerurlaub.

Zwar schnurrt der 3 Liter große Sechszylinder unter der Haube des 320ers wie ein Uhrwerk. Es ist schließlich der letzte Reihenmotor, bevor die Schwaben auf den V6 umstellten. Und im Fahrzeugschein steht eine Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h, bei denen es dann selbst vor dem Windschott doch ein bisschen zugig werden dürfte. Doch ob die 231 PS und 315 Nm den Wagen tatsächlich in 8,4 Sekunden auf Tempo 100 wuchten? Keine Ahnung! Und es interessiert auch nicht. Weil man einen alten SL nur zum Spaß fährt und man sich dafür wirklich Zeit nimmt, tritt man das Gaspedal selten durchgetreten und die butterweiche Fünfgang-Automatik steht meist in „E“.

Wer schnell fahren will, der kauft keinen alten SL, sondern der wartet auf den neuen und hofft, dass die Entwickler nicht nur nach dem 129er schauen. Aber die Chancen stehen gut, dass sie in der Chronik ganz zurückblättern bis zu seinem Anfang als reinrassiger Rennwagen. Nicht umsonst hat bei der neuen Auflage diesmal AMG das Sagen.

Benjamin Bessinger/SP-X


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