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Der Autokauf wird zum Luxus

Der Autokauf wird zum Luxus

Schlechte Zeiten für Autokäufer: Neuwagen sind aktuell teuer wie nie, Gebrauchte kaum billiger. Ob Abwarten hilft, bleibt abzuwarten.

SP-X/Köln. Selbst der Dacia Sandero liegt nur noch knapp unter der 10.000-Euro-Hürde. Seit Anfang des Jahres ist der Preis für den rumänischen Kleinwagen um 1.610 Euro auf nun 9.600 Euro gestiegen. Trotzdem ist der Fünftürer damit noch immer der günstigste Neuwagen auf dem deutschen Markt – aber nur, weil die Konkurrenz mindestens ebenso heftig zugelegt hat. Der Dacia ist kein Einzelphänomen, sondern das Symptom eines umfassenden Trends.  

Der ADAC hat jüngst die Preisentwicklung der vergangenen fünf Jahre unter die Lupe genommen. Ergebnis: Heute kosten Neuwagen in der Spitze um bis zu 44 Prozent mehr als noch 2017. Auch der Durchschnittspreis aller fabrikneuen Pkw hat angezogen: Lag er vor fünf Jahren noch bei 44.908 Euro, betrug er im Juli dieses Jahres 53.535 Euro. Das entspricht einer Erhöhung von 19 Prozent Das sind elf Punkte mehr als die Höhe der Inflation im gleichen Zeitraum.  

Ein Gutteil der Steigerung entfällt auf das laufende Jahr. Wichtigster Grund dafür sind die Produktionsengpässe im Zuge von Corona-Krise und Ukraine-Krieg. „Die aktuellen Lieferkettenprobleme sind fast ein Glücksfall für die Autoindustrie“, weiß Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Weil Corona, Chipkrise und Ukraine-Krieg den Nachschub wichtiger Komponenten und Materialien stocken lassen, können die Hersteller viel weniger Fahrzeuge bauen als sie verkaufen könnten. Und knappe Güter sind teuer. „Die Autohersteller können ihre wenigen verfügbaren Fahrzeuge aktuell zu hohen Preisen verkaufen. Die jahrzehntelang üblichen Rabatte sind stark zurückgefahren“, so Dudenhöffer.

Vor allem kleine Autos sind kostspielig geworden. In der Kleinstwagenklasse stiegen die Neuwagenpreise laut ADAC-Daten um 44 Prozent, bei Kleinwagen um rund 30 Prozent und in der Kompaktklasse um rund 21 Prozent. Zu den Gründen dürfte die Einführung neuer Minimalstandards bei den Assistenzsystemen zählen. Auch Lieferschwierigkeiten, Halbleitermangel und gestiegene Einkaufspreise können eine Rolle spielen.  

Zudem haben viele Hersteller die preisgünstigen Basisvarianten ihrer Modelle aus dem Programm genommen, Fahrzeuge mit geringer Motorleistung und niedrigem Ausstattungsniveau. So konnten Kunden vor einem Jahr noch einen ein Golf mit 66 kW/90 PS zum Preis von 20.700 Euro bestellen, jetzt startet das Portfolio bei 96 kW/130 PS für 29.560 Euro. Das ist kein Zufall: Die Industrie baut und verkauft zurzeit vornehmlich Modelle mit hohen Margen – also teure Fahrzeuge mit viel Ausstattung, gerne auch E-Autos, die die eigene CO2-Bilanz verbessern. Günstige Kleinwagen ohne Extras sind aktuell neu kaum zu bekommen. Oder nur mit sehr langen Wartezeiten. Und auch in den größeren Fahrzeugklassen hat sein neues Auto in der Regel schneller, wer ein starkes und üppig konfiguriertes Modell wählt.

Die Lieferkettenprobleme haben sich zuletzt entschärft, der Höhepunkt der Chipkrise scheint überwunden. Aktuell arbeiten die Autobauer ihre aufgelaufenen Bestellungen ab und verkaufen Neuwagen zu hohen Preisen. Dudenhöffer rechnet für die kommenden Monate mit einer starken Beschleunigung der Produktion. Im Juni seien bereits 21 Prozent mehr Pkw gebaut worden als im Vorjahresmonat. „In einigen Monaten sind nicht länger löchrige Lieferketten das Problem, sondern eine deutlich rückläufige Kaufbereitschaft“, so der Experte. Für die Verbraucher bedeutet die Steigerung des Angebots allerdings nicht unbedingt eine finanzielle Entlastung. Der CAR-Leiter rechnet für die nächsten Monate mit steigenden Listenpreisen aufgrund hoher Rohstoffkosten. Vor allem E-Autos dürften teurer werden.

Und auch langfristig werden die Neuwagenpreise möglicherweise eher nach oben gehen. Denn viele Hersteller schwenken von einer Massen- auf eine Luxusstrategie. Allen voran die deutschen Autobauer: Mercedes etwa will noch konsequenter als bislang auf Luxus setzen. Ein Großteil der künftigen Entwicklungs-Investitionen im Pkw-Bereich soll in die Spitzenmodelle der Marke fließen, im Einstiegs-Segment wird hingegen ausgedünnt. Als Einstieg in die Mercedes-Welt sollen die „Entry Luxury“-Fahrzeuge dienen, zu denen die Nachfolger der aktuellen A- und B-Klasse zählen dürften, die dank aufwendigerer Technik bei Prestige und Preis deutlich höher positioniert werden als ihre Vorgänger.  

Ziel der Luxus-Strategie ist eine höhere Profitabilität in einem zunehmend schwierigen Markt. Mercedes strebt bis Mitte des Jahrzehnts eine Umsatzrendite von 14 Prozent an. Dabei soll auch der Schwenk zum Direktvertrieb helfen. Bis 2025 sollen in Europa rund 80 Prozent der Verkäufe über diesen Kanal erfolgen. Die Stuttgarter sind nicht allein. Auch Audi setzt am unteren Rand des Modellangebots den Rotstift an. Und selbst eine Volumenmarke wie Ford will sich künftig neu positionieren und in Europa neben dem Nutzfahrzeuggeschäft vor allem auf Modelle wie den Mustang und Bronco setzen, die für „Freiheit und Abenteuer“ stehen. Brot- und Butter-Autos wie Fiesta und Focus fallen dann wohl eher raus. Was das heißen könnte, lässt sich aktuell an den Preisen des elektrischen Mustang Mach-E ablesen. Binnen eines Jahres haben sich diese um rund 16.000 Euro erhöht, ausgeglichen lediglich durch kleine Auflastungen bei der Ausstattung. Wer das E-SUV kaufen will, muss nun mindestens 63.000 Euro investieren – ein Preis aus der Oberklasse, für den es vor wenigen Monaten noch drei kompakte Ford Focus mit Ottomotor gegeben hätte. Heute sind es eher zwei plus einen Ford Fiesta in Basis-Ausführung.  

Der ADAC fordert vor diesem Hintergrund ein Umdenken in der Industrie: Auch Menschen mit geringeren finanziellen Möglichkeiten sollten sich ein neues Fahrzeug leisten können, findet der Club. Ob der Kauf eines Neuwagens zur Grundversorgung zählen muss, einmal dahingestellt. Der Erwerb eines Gebrauchten allerdings ist nur bedingt eine Alternative. Denn auch dort haben die Preise zuletzt stark angezogen. Auch mit Auto-Abos, Re-Importen oder Kompromissbereitschaft bei der Modellwahl lässt sich aktuell nicht allzu viel sparen. Am günstigsten dürfte es aktuell daher noch mehr als sonst schon sein, den alten Pkw noch eine Weile weiterzufahren.  

Holger Holzer/SP-X


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