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Jungfernfahrt im Porsche Mission R
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Jungfernfahrt im Porsche Mission R

Elektroauto und Emotionen – bei aller Begeisterung für die Beschleunigung wollte das bislang nicht so recht zusammenpassen. Doch beim Mission R hat Porsche reichlich Adrenalin in die Akkus gefüllt. Jetzt muss es das Einzelstück nur noch in die Serie schaffen.

SP-X/Los Angeles. Mit einem elektrischen Taycan auf die Rennstrecke? Bei aller Liebe zu den sportlichen Wurzeln der Schwaben und bei allem Respekt vor den technischen Daten des Taycan kann auf so eine Idee allenfalls das Marketing kommen. Auch bei 761 PS hin und 2,8 Sekunden von 0 auf Tempo 100 - kein Rennfahrer wird freiwillig einen Koloss von fünf Metern Länge und 2,5 Tonnen Gewicht über einen Rundkurs prügeln.

Doch weil die Rennstrecke – so machen sie es uns in Zuffenhausen zumindest gerne weiß – die Heimat eines jeden Porsche ist und sich auch Cayenne oder Panamera vor allem deshalb so gut verkaufen, weil der Elfer ein Seriensieger ist, sind elektrische Rennwagen für die Schwaben seit Jahren ein wichtiges Thema. Nicht umsonst engagieren sie sich auch in der Formel E. Dumm nur, dass gerade dort der Transfer in die Serie eher eingeschränkt ist und obendrein so recht kein Funke überspringen wollte.

Aber jetzt haben die schnellen Jungs in Flacht, wo Porsche seine Rennwagen entwickelt, ein Auto auf die Räder gestellt, das womöglich das Zeug zum Gamechanger hat: den Mission R. Vom Vorstandschef persönlich als Highlight der IAA initiiert und in nicht einmal neun Monaten von der Vision in die Wirklichkeit gebracht, soll er beweisen, dass die Raserei auf der Rundstrecke auch in der neuen Zeit noch eine Zukunft hat. Es soll Lust auf eine neue Serie im Kundensport machen zugleich einem elektrischen Sportwagen für die Straße den Weg ebnen. Und weil sie bei Porsche selten nur Autos für Show bauen und vor allem selbst viel zu neugierig waren auf das neue Fahrerlebnis, ist der Mission R eben keines jener Messemodelle, das nur mit besserer Schrittgeschwindigkeit ins Rampenlicht rollen kann. Der futuristische Flachmann von 4,24 Metern Länge und 1,19 Metern Höhe ist voll funktionsfähig. Und um das zu beweisen, steht er nur zwei Monate nach der Weltpremiere in München jetzt in der Boxengasse des Porsche Experience Centers in Los Angeles und wartet darauf, dass ihn ein Techniker endlich von der Ladesäule abnabelt und die Rennleitung den engen und überraschend fordernden Kurs für die Jungfernfahrt freigibt.

Nach der obligatorischen Hochvolt-Schulung eine Handbreit über dem Asphalt in den Sitz gezurrt, sieht der Fahrer die Welt vor den schmalen Fenstern nur noch schlierenhaft vorbeiwischen. Kaum senkt sich der Fuß, reißt ihn je ein Motor pro Achse, vorne mit bis zu 320 kW/453 PS und hinten 480 kW/653 PS, aus dem Hier und Heute und katapultiert ihn in die Zukunft des Kundensports. Nur 2,8 Sekunden vergehen bis Tempo 100 und wenn die Gerade auch nur ein bisschen länger und die Angst um das millionenschwere Einzelstück etwas geringer wäre, dann hätte die Raserei erst weit jenseits der 300er-Marke ein Ende. So dagegen zieht die Elektronik den Stecker, weil Porsche mit Prototypen schließlich noch viel vorhat und der Kurs so ganz ohne Auslaufzonen ziemlich ungnädig auf Fehler reagiert.

Während der ersten paar Runden noch verhalten, steigt mit der Temperatur der Slicks auch das Temperament des Fahrers und mit dem Vertrauen das Tempo. Während die Reifen wie Pattex auf dem glatten Asphalt pappen und der Porsche mit seinen gerade mal 1.500 Kilo perfekt die Balance hält, werden die Sprints auf den wenigen Geraden engagierter, die Bremspunkte verschieben sich nach hinten und der Abstände zu den Scheitelpunkten schrumpfen Runde um Runde: Schnell und immer schneller surrt der Sportler über den Kurs, duckt sich mit seiner ausgefeilten Aerodynamik tief unter dem Wind hindurch und nimmt die verzwickten Schikanen so zackig wie die Haie draußen vor der Küste ihre Beute jagen: Rechts, links, rechts, ein paar Grad am Lenkrad, schon reißt es den Renner herum, so direkt ist die Lenkung. Und obwohl das Ganze von draußen ziemlich eckig aussieht, fühlt es sich drinnen rund und harmonisch. Schon nach ein paar Minuten ist man im Flow und die Zukunft ist verdammt gegenwärtig.

Der Mission R ist dabei Porsche pur, reinrassig und unverfälscht. Der elektrische Rennwagen ist so analog, wie es nur eben geht. ESP? Servolenkung? Oder gar Torque Vectoring? Wer braucht schon Schaltkreise, wenn er seine Sinne beisammen hat! Nichts, aber auch gar nichts, soll das Gefühl fürs Fahren verfälschen oder gar den Fahrer bevormunden. Das gilt auch fürs Bremsen. Wo man bei anderen Elektroautos nur den Fuß lupfen muss, verzögert der Mission R erst, wenn man auch wirklich in die Eisen tritt. Dafür dann aber mit einer Macht, dass es auch noch das letzte bisschen Luft aus dem Körper presst und die Augäpfel aus dem Kopf treibt. Nur um sie mit einem Kickdown danach wieder einzufangen und hinten an die Hirnschale zu knallen. Das Auto schnellt mit jedem Gas-, pardon, Stromstoß nach vorn und der Puls wieder in die Höhe. Es ist fast wie bei einem Defibrillator, der das Herz mit wohl dosierten Elektroschocks auf Touren hält und Tote zum Leben erwecken kann.

Mit einem Taycan schnell zu fahren, das ist seltsam unwirklich und fühlt sich an wie auf der Playstation. Doch mit dem Mission R kämpft man wie weiland auf der Carrera-Bahn – mit rasendem Herzen, schnappendem Atem und feuchten Händen. Dass Elektromobilität hier endlich ein paar Emotionen bekommt, liegt vor allem daran, dass der Mission R alle Sinne anspricht – und nicht nur den für Bewegung. Denn während Herz und Hirn mit Längs- und Querkräften kämpfen, gibt’s in diesem Auto auch mächtig was auf die Ohren. Und zwar keinen Synthi-Sound, sondern authentischen Lärm aus dem Maschinenraum.

Selbst die Nase kommt auf ihre Kosten, auch wenn es nirgends nach Benzin oder Öl riecht. Denn spätestens nach drei, vier Runden mischt sich reichlich Schweiß ins Adrenalin – erst recht, wenn vom Himmel über Hollywood die Novembersonne durch die Glaselemente zwischen den skelettartigen Karbonstrukturen im Dach brennt.

Wer da jetzt auf eine baldige Erholung an der Ladesäule hofft, hat die Rechnung ohne die Truppe aus Flacht gemacht. Der Mission R ist nicht nur dauerhaft vollgasfest und lässt anders als so viele andere Elektroautos in seinem Elan nicht nach. Die rund 80 kWh des Akkus reichen auch noch erschreckend lange. Nach zehn Runden jedenfalls seigt das Display im Lenkrad noch immer 62 Prozent und es klingt fast wie eine Drohung, wenn die Pit-Crew über Funk verrät, dass sie den Mission R auf mindestens 30 Minuten volles Rohr ausgelegt haben. Und selbst danach kennen die Mannen um Projektleiter Matthias Scholz keine Gnade: Schnell fahren, schnell Laden lautet ihr Motto. Schon nach 15 Minuten ist der Akku deshalb wieder zu 80 Prozent voll und die Captain Future schießt erneut hinaus auf seine Carrera-Bahn.

In der kurzen Ladepause gibt’s für den Fahrer eine Druckbetankung in Theorie und Technik: Während sich die Synapsen erst wieder sortieren müssen, erzählt Scholz von der neuartigen Öldirektkühlung für die hauseigenen E-Motoren, die den Leistungsabbau während des Rennens verhindert, oder von der auf 900 Volt erhöhten Spannung der Hochleistungsakkus. Es gibt eine kurze Vorlesung über die nachwachsenden Rohstoffe, die hier verwendet wurden, über den 3D-Druck als Produktionsverfahren für Kleinserien, und über das Exoskelett aus Karbon, das nicht nur cool aussieht, sondern auch noch ein paar Kilos spart, weil Karosserie und Käfig dabei eines werden. Nicht umsonst wiegt der Mission R trotz seiner zentnerschweren Akkus weniger als ein konventionell angetriebener Cayman. Doch so überzeugend der Prototyp auch sein mag und soweit die Arbeiten schon gediehenen sind, wissen sie auch in Flacht, dass sie einen Serienstart in drei oder vier Jahren nicht alleine werden stemmen können. Und dabei geht es weniger um die Konstruktion als um die Kosten. Denn so, wie die Straßensportwagen die Rundstrecken-Renner fürs Image und für die Glaubwürdigkeit brauchen, so brauchen Autos wie der Mission R die Stückzahlen aus der Serie, um halbwegs bezahlbar zu bleiben. Denn viel mehr als der aktuelle Elfer für den Kundensport darf der Mission R nicht kosten, wenn der Markenpokal funktionieren soll. Da ist es für Projektleiter Scholz doch eine glückliche Fügung, dass der 718er so langsam auf die Zielgerade fährt und zur Mitte der Dekade als erster Sportwagen von Porsche elektrisch durchstarten könnte. Und für die Petrolheads auch. Denn wenn der Mission R so bleibt wie er ist und der elektrische Cayman sich daran ein Vorbild nimmt, dann hat die Raserei ganz ohne Reue doch noch eine Zukunft – egal ob auf der Straße oder der Strecke.

Benjamin Bessinger/SP-X


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